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Das 19. Jahrhundert

Chronik Waltersdorf

DAS 19.JAHRHUNDERT

In die Dienstzeit von Gottfried Manasse Stockfisch (1772-1812) fällt die verlorene Schlacht von Jena und Auerstädt 1806, deren Folgen sich bis nach Waltersdorf auswirkten: Die Tochter des Schmiedemeisters Daniel Huck, Anna Louise, wird sechszehnjährig am 28.10.1806 begraben „ in demselben Augenblick, als die ersten französischen Marodeurs... in das Dorf einbrachen. Das Begräbnis wird dadurch gestört. Die Leiche musste schnell und ohne Glockengeläut eingesenkt werden, weil alle Leidtragenden nach Hause eilten".  *27)
Die Erinnerung an Anna Louise Huck wird wach gehalten durch einen der beiden Totenschilde im Vorraum der Kirche.
Solche Totenschilde für jungverstorbene Gemeindeglieder trugen auf dem waagerechten Brett über der Inschrift die Totenkrone des Verstorbenen. Der andere Totenschild erinnert an Christian Ludewich Baller, 1726 geboren, Schmiedebursche in der Schmiede seines Bruders Johann Rudolph, gestorben an hitzigem Fieber, den 5.Juny 1758.


 

Bild 34: Totenschild Anna Louise Huck, gest. 1806

Bild 35: Totenschild Christian Ludewich Baller, gest. 1758

 


Am 26.10.1806 war Christian Friedrich Damm geboren. „Alles war (vor den Franzosen) geflohen. Nur die Mutter musste allein mit dem neugeborenen Kinde zurückbleiben, da auch ihr Mann mit der Herrschaft (des Gutes) hatte fortfahren müssen".  *27)

Anscheinend war es dringend nötig, 1810 darauf hinzuweisen, „daß man viele Kirchen in ihrem Innern mit Staub und Schmutz bedeckt findet". Die Kirchen sollen gründlich und vollständig und künftig nicht nur einmal im Viertel- oder Halbjahr, sondern an jedem Sonnabend gereinigt werden.  *28)

Gottfried Manasse Stockfisch starb am 25.01.1812.

Über seinen Nachfolger JOHANN SAMUEL SCHULZE wissen wir aus den „Waltersdorfer Lebensläufen um 1800".  *27)
„1789 bekam er die Stelle des Adjunkten bei Pfr. Vogel in Ragow, er heiratete dessen Tochter Wilhelmine und wurde 1796 nach dem Tod des Schwiegervaters dessen Nachfolger in Ragow. Diese Pfarrstelle hatte sehr geringe Einnahmen, die durch die Kriegsnöte noch mehr gemindert wurden. Am 26.3.1810 brannte der größte Teil von Ragow ab, auch das Pfarrhaus wurde vernichtet. Ganz arm zog er nach Mittenwalde. Von dort verwaltete er die Pfarrstelle Ragow. Er wurde durch Cabinetsordre zum Pfarrer von Waltersdorf berufen, wo er zu Neujahr 1813 anzog".  *27)
Ragow wurde nach Mittenwalde eingepfarrt, und Miersdorf und Zeuthen, die bis dahin zu Ragow gehörten, mit Waltersdorf vereinigt. Schulzendorf und Schmöckwitz gehörten früher zur Parochie Deutsch Wusterhausen, seit 1718 zum Pfarrsprengel Waltersdorf. 1813 kam Schmöckwitz zum Pfarrsprengel  Neu-Zittau. Im neu gestalteten Pfarrsprengel Waltersdorf, zu dem nun außer Bohnsdorf auch Zeuthen, Miersdorf und Schulzendorf gehörten, tat Pfarrer SCHULZE seinen Dienst bis zu seiner Emeritierung 1834 in seinem 74. Lebensjahr, nach 46 Dienstjahren. Er zog zunächst nach Tempelhof, dann nach Berlin, wo er 1854 starb.

Nach den Befreiungskriegen sollten überall Gedächtnistafeln für die Gefallenen angebracht werden. Leider sind sie schon lange nicht mehr erhalten. Aber es gab in der Kirche vor 1966 einen Kasten mit Orden und Ehrenzeichen aus den Jahren 1813 bis 1918, deren Inhaber auf Zetteln vermerkt waren.
Die Orden und Ehrenzeichen sind noch vorhanden.

1817 wurde das 300. Jubiläum des Thesenanschlags und 1830 der 300. Gedenktag der Augsburgischen Konfession in allen Kirchen feierlich begangen.

Das Kirchenbuch und die Pfarrakten berichten über das besondere Schicksal der Frau des Waltersdorfer Gastwirts Gottfried Albrecht: Anna Charlotte Catharine geb. Liesegang wurde nach der Geburt ihres ersten Sohnes Amme bei der Prinzessin Wilhelmine von Preußen, die später Königin der Niederlande wurde. Immer, wenn sie später nach Berlin kam, wurde Anna Charlotte dorthin eingeladen. Sie bekam für sich eine jährliche Pension von 100 Talern und für ihren Sohn 50 Taler. Als die Königin von ihrem nahen Tode hörte, schrieb sie ihr einen Trostbrief mit 150 Talern Pflegegeld, der leider erst nach ihrem Tode eintraf. Eine Abschrift ist im Kirchenbuch erhalten.  *27)

Eine Cholera-Epidemie setzte noch 1831 viele Menschen in dieser Gegend in Angst und Schrecken.

Dem Pfarr-Adjunktus und späteren Pfarrer FERDINAND VALENTIN ARNDT, dem Nachfolger von Pfr. Schulze, verdanken wir viele Schriftstücke in den Pfarrakten und vor allem eine ausführliche Chronik seiner Dienstzeit in Waltersdorf für die Jahre 1835 bis 1844, in der das kirchliche Leben im ganzen Pfarrsprengel Waltersdorf mit Bohnsdorf, Grünau, Schulzendorf, Miersdorf und „Züthen an der Spree" geschildert wird. Auch die Bautätigkeit dieser Zeit spielt eine wichtige Rolle in seinen Aufzeichnungen.

 
 
 

Bild 36:Pfarrer Arndt und Gattin

 


Ferdinand Valentin Arndt war 1808 in Berlin geboren und hatte in Waltersdorf seine erste Pfarrstelle. Er heiratete 1836 Therese Kretschmar aus Waltersdorf und nach deren frühem Tod 1839 Marie Ramdohr, mit der er sehr glücklich verheiratet war und die er als ideale Pfarrfrau ansah.
Er war ein vielseitig begabter Mann, der neben seiner Pfarrtätigkeit auch Predigtbücher und Gedichtbände verfasste.  *29)
Seine tiefe Frömmigkeit und sein großes Gottvertrauen prägten sein gesamtes Wirken als Prediger und Seelsorger. Von 1844 bis 1867 war er Pfarrer in Sieversdorf bei Neustadt / Dosse, wo er 1867 starb.
Viele bezeichnende Einzelheiten sind uns aus seiner Tätigkeit bekannt:
Am Anfang seiner Tätigkeit 1834 stellt Pfr. Arndt fest, dass keine Kirchenbibel vorhanden ist und bittet die „Hochlöbliche Königliche Regierung", eine anschaffen zu dürfen. Nach Genehmigung kauft er eine Bibel für „7 Thaler 15 Silbergroschen".
Die zwei Glockentaue sind zu ersetzen, die Kramme am Klöppel der großen Glocke ist zerbrochen. Alles muss beantragt, genehmigt und dann beschafft bzw. repariert werden. In allen vier Kirchen (Waltersdorf, Schulzendorf, Bohnsdorf und Miersdorf) werden neue Abendmahlskannen aus Zinn angeschafft und feierlich in Gebrauch genommen (1835). *30)


 

Bild 37:Abendmahlskanne und Teller aus Zinn, 1835

Bild 38: Pfarrhaus Waltersdorf

 


Schon 1834 wird der Zustand des Pfarrhauses von Pfr. Arndt als äußerst schlecht beschrieben:  *31)
Es besteht keine Sicherheit mehr. Ein Giebel ist eingestürzt, „und der andere, dessen oberen Theil ich bewohne, fällt vielleicht bald ebenfalls zusammen." Er bittet um Baubeginn noch in diesem Jahr. Daraus wird nichts, aber Pfr. Arndt wird ersucht, die Vorbereitungen für den Bau im Winter zu veranlassen. Er erhält ein Gnadengeschenk von 340 Talern für den Neubau des Pfarrhauses. *32)
Im Dezember bittet er erneut um Unterstützung, da er keinen Werkmeister gefunden hat, der unter den von der Regierung gestellten Bedingungen arbeiten würde. Jeder Tagelöhner wohnt besser! Pfr. Arndt schreibt immer wieder, bis er endlich im Januar 1835 das nötige Bauholz bekommt, dazu die Erlaubnis, den Baukontrakt abzuschließen. Der Bau soll im Frühjahr beginnen. Am 19.07.1835 wird das Pfarrhaus gerichtet. Im Juli wird Pfr. Arndt zugesagt, dass er spätestens in sechs Wochen die Dachstube beziehen kann.  *33)
Erneute Schwierigkeiten gibt es, als Pfr. Arndt feststellt, dass zum Teil wurmstichiges Holz beim Bau verwendet worden ist  *34)
Im Januar 1836 wird der ursprüngliche Entwurf zur Freitreppe am Pfarrhaus genehmigt und darf ausgeführt werden. So steht es auch noch heute!  *35)

Pfr. Arndt bittet um einen roten Ofen in der Putzstube und ist in den andern Stuben mit schwarzen Öfen zufrieden. In der Küche möchte er einen Bratofen und einen Waschkessel eingebaut haben. Er schlägt für alle Räume bestimmte Wandfarben vor. „die große Stube hinten links könnte lila werden mit einfacher Kante".  *36)
Die detaillierte Rechnung über Maurerarbeiten weist 27 Mark und 6 Pfennige für Arbeitslohn aus und nennt an Materialien 12 Farben, Kreide und Leim für 11 Mark, 8 Silbergroschen und 6 Pfennige (28.06.1836)  *37)

Aber nicht nur um Bauarbeiten kümmert sich Pfr. Arndt.
In seiner Chronik berichtet er, dass er 1836 eine alte Sitte wieder aufleben lässt, indem er an den Abendmahlssonntagen am Nachmittag wieder eine Betstunde einführte, zu der 50 Gemeindeglieder kamen.  *38)

Ebenfalls 1836 berichtet er, dass der Eingang zur Kirche derart schlecht ist, dass „Regen in Menge" in der Kirche Pfützen bildet und Schnee durch die Tür in die Kirche kommt. Er bittet um einen „gründlichen inneren Ausbau der Kirche", da auch „eine große Zahl der Kirchstühle von den Würmern so zerfressen ist, dass ihr Einsturz zu fürchten ist". Balken und Decke sind zum Teil beschädigt, das Kirchendach ist entzwei.  *39)
Der Bauinspektor Dieme wird zur Untersuchung der Schäden nach Waltersdorf geschickt. Aber weder für 1836 noch für 1837 sind Gelder vorhanden.
1836 beschwert sich Pfr. Arndt über die nach seiner Ansicht zu häufige 14tägige Tanzmusik beim Gastwirt Albrecht. Die Knechte und Mägde seien am nächsten Tag zu müde und gingen mit Ungeschick zur Arbeit. Als Antwort bekommt er den Bescheid, dass die „Gränzen" des Zulässigen nicht überschritten seien.  *40)
Hier und bei andern Anlässen kümmert sich Pfr. Arndt um die sittlichen Zustände seiner Gemeinden, wie es von einem Pfarrer erwartet wurde und wie dies in seiner Chronik und in den Pfarrakten nachzulesen ist. Heutzutage mag man sich darüber wundern, was damals zu den Aufgaben eines Pfarrers gehörte:
Da wird Anzeige erstattet wegen eines sträflichen Verhältnisses, das ein Mann mit der Frau seines früheren Principals (= Chef) hat. Er muss einen Taler Strafe zahlen und kommt „wuthentbrannt auf das Zimmer des Predigers und wirft ihm vor, an seinem ganzen Unglück schuld zu sein".  *41)

In der Gemeinde wird für Katastrophen-Geschädigte gesammelt:
1838 für die Oderbruch-Überschwemmung: 28 Thaler und 25 Silbergroschen.

Für Feuersbrünste in Nächst- und Fern-Neuendorf bei Zossen: „Die braven Waltersdorfer" spenden fleißig 28 Thaler und 7 Silbergroschen, dazu Gutsbesitzer Tesmer 30 Thaler.
Für die Geschädigten der Feuersbrünste in Schenkendorf: 7 Thaler und 10 Silbergroschen, in Senzig: 5 Thaler und 15 Silbergroschen.  *42)

1839 wird der Pfarrer gerufen, nach einem Duell mit tödlichem Ausgang ein Protokoll aufzunehmen, da Gerichtspersonen nicht zu erreichen waren.  *43)

Zwei „lüderliche Mädchen" sollen möglichst nicht nach Waltersdorf übersiedeln, da für sie Gefahr besteht, dass sie „Hungers sterben" werden. Da der Vater aber in Waltersdorf wohnt, kann der Zuzug nicht verhindert werden. (s. PAW 41a)

Nun sollte auch die Kirche renoviert werden. Am 14.04.1839 fand der letzte Gottesdienst vor dem großen, nun genehmigten Umbau in der Kirche statt.  *44)

Pfr. Arndt gibt eine Beschreibung des Inneren der alten Kirche:

Die Kirche war „ein längliches Oblongum, das an der Seite gegen Osten in eine schöne halbrunde Nische sich endigte. Hier stand die Kanzel, gewiss noch aus uralter Zeit. Über ihr befand sich die Schalldecke, und auf derselben ein Christusbild in alt- deutscher Malerei, mit der Weltkugel in der Hand und den Worten Salvator mundi unterschrieben. Auf der Brüstung an der Kanzel war eine Sanduhr befestigt. Die Seiten der Kanzel, mit mannichfachem hölzernen Schnitzwerk verziert, zeigten in den vier Vorderblättern die Bilder der Evangelisten, mit den einem jeden durch die heilige Symbolik zugewiesenen Emblemen. Unter der Kanzel stand der alte Altar, auf ihm eine roth tuchene, und darüber eine blau tuchene, mit gelben Franzen besetzte, mannichfach von dem Zahn der Zeit und seinen Kindern, den Würmern, angefressene Decke.

Auf dem Altar standen ein Paar schwere zinnerne Leuchter, lagen die Agenden und die Kirchenbibel, und über ihm hing ein schöner Kupferstich des Heilandes, wie er das Grab brach. Mein würdiger Vorgänger, Herr Prediger Schulze, hatte ihn der Kirche zum Geschenk gemacht. Im Hintergrund, am Untergestell der Kanzel, war in alt deutscher Malerei das Abendmahl dargestellt.
(Diese Bild ist wohl heute noch vorhanden, siehe nächste Seite)

In schöner Frische hatten sich die Farben auf diesem Gemälde wie auch in den Bildern der Evangelisten erhalten. Dass noch eine katholische Zeit an der Kanzel gebaut, schien deutlich aus ihrer ganzen Anordnung hervorzugehen. Neben der Kanzel zur rechten Seite war der Stuhl für den Küster und die Schulknaben; zur linken ein Stuhl für den Prediger und neben ihm ein andrer für seine Familie, der einzige vergitterte. Er endete, wo sich die Thüre anfing. Das eigentliche Oblongum der Kirche setzte die Gemeine in drei Reihen der Kanzel gegenüber. Die Stühle, welche vom Altar gesehen, sich links hart an die Wand lehnten, waren für die Männer; die an der rechten Seite, so wie die mittleren Stühle für die Frauen bestimmt. Am Ende des Oblongums war das Chor für das hiesige Amt. Zu ihm führte eine Treppe empor, welche hart an eine zweite innerliche Hauptthür des Gotteshauses selbst stieß. Die Farbe derselben war weiß, die der Stühle braun.

 

Bild 39: Rekonstruktionsversuch des Kanzelaltares vor 1839

Bild 40: Abendmahlsbild, vor 1839

 

Die Kirche empfing durch viel Fenster, die ziemlich unsymmetrisch bald kleiner, bald größer waren, ihr Licht und mag, als sie neu gewesen einen recht freundlichen Anblick dargeboten haben. Jetzt freilich war er durch Alter, Staub, Zerfallenheit der Würde des heiligen Ortes unangemessen. Unter dem Chor befand sich in Sandstein gehauen das Bildniß des Herrn von Thümen, der im Jahre 1604 am 15. November als Besitzer von Waltersdorf und Galluhn starb. Eine kleine Thür führte in eine Vorhalle, die jedoch seit langer Zeit nur zum Verwahren der Todtenbahre und manchen alten Geräthes benutzt ward. Ein Leichenstein, in Sandstein ausgehauen, das Bildniß der Frau des Otto von Thümen fand sich hier. Ein anderer des Otto, Friedrich von Thümen, wahrscheinlich 1588 geboren, gest. 1592 war an die Mauer gelehnt. Auch dass ein früherer Prediger Albinus hier geweste bewies eine an die Wand geheftete hölzerne Gedächtnistafel der im Kindbett gestorbenen Frau. Der gegenwärtige Pfarrer wusste, dass sich unter der Kirche Gewölbe befanden. Auf seine Bitte wurde eines derselben, unter den mittleren Stühlen gelegen, geöffnet. In zwei Abhteilungen standen oder lagen viel mehr die Reste von vier eingesenkten Leichnamen. Alles war zerfallen. Zerbrochene Särghölzer und die schwarzen Schauder der Verwesungen. ......
Noch ein Wort von dem Taufstein. Aus Sandstein mit vielen Kunstfertigkeiten gefertigt, mit rothtuchener Decke behangen ist er gewiß uralt. Das große meßingne Taufbecken, wahrscheinlich ein Geschenk, führte am glatten Oberrande die Inschrift: Christoph Christian 1712. Am Taufstein sind die Worte eingegraben, an seinem Obertheile: Laßet die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht. Denn solcher ist das Reich Gottes.“  *45)

Pfr. Arndt erwähnt nicht, was Pfr. Niendorf 1926 in seiner Schilderung der Waltersdorfer Kirche schreibt: Da das Wasser bei starken Regengüssen durch den Turm in die Kirche lief, half man sich, indem man „in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ... die Turmtür schloß, die Verbindungstür zur Kirche zumauerte und statt dessen zwei Seitenfenster (das westlich und das östliche Fenster im Schiff) zu Eingängen ausbaute, wo man nun auf vier Stufen in die Kirche hinabstieg, in welcher auf beiden Seiten schmale Gänge zum Altar führten.“  *46)
Pfr. Arndt schreibt in seiner Chronik (S. 71/72), dass Georg Wilhelm Tesmer, der Vater des zweifachen Gutsbesitzers, Waltersdorf verlässt und bezeichnet dies als einen großen Verlust für die Gemeinde, da er „ein Vater der Armen“ gewesen, und auch für ihn selbst: „Dem Pfarrer der Gemeine war er ein väterlicher Freund und Seelsorger im schönsten Sinne des Wortes.“
Wohl dem Seelsorger, der einen Seelsorger hat!

Am Freitag, dem 01.11.1839 sollte überall das 300-jährige Jubiläum der Einführung der Reformation in der Mark Brandenburg gefeiert werden.
Am vorangehenden Sonntag bemühte sich Pfr. Arndt, in der Predigt zu Hebr.13, 7-8 der Gemeinde den „Gegenstand der Feier“ bekannt zu machen. Den Lehrern der fünf Schulen im Pfarrsprengel war ein Büchlein über die historische Begebenheit zur Information übergeben worden. Am Vorabend wurde wie zu Feiertagen mit drei Pulsen vorgeläutet. Das Hauptlied im Gottesdienst war „Sei Lob und Ehr dem Höchsten Gott“, „da die Gemeinen Luthers Kerngesang: „Ein veste Burg ist unser Gott“ nicht singen konnten.“  *47)
„Die Kirchen waren überall sehr voll.“ In Waltersdorf war „die Kirche mitten im Bau begriffen. Der Gottesdienst musste in der Schule gehalten werden.“  *48)
In Bohnsdorf wurden die Kinder und der Schulvorsteher vom Lehrer Bluhm „mit Caffee und Honigsemmeln bewirthet.“  *49)

Im November 1839 wird aufgerufen, bei der Aufräumung des Kirchhofes mitzuhelfen, da am 1. Advent (1.12.39) der erste Gottesdienst mit Heiligem Abendmahl wieder in der renovierten Kirche gehalten werden sollte. Es fehlte zwar „noch der Überstrich sowie manche Verzierung“.  *50).  
Der Chor sollte künftig dem Gut überlassen werden, dessen Gestühl bis zur Renovierung 1966 dort stand, „die Emporkirche hat dagegen die Gemeine für sich genommen“.  *51)
Zum Heiligen Abendmahl kamen 51 Kommunikanten, auch der Abendgottesdienst war gut besucht.

1840 bekommt die Kirche ein 30 Zoll hohes Crucifix und zwei 22 Zoll hohe Leuchter aus Gusseisen für 29 Thaler 17 Silbergroschen. Die Malerarbeiten werden vollendet. „Das Gotteshaus ist ebenso einfach wie überaus würdig und schön“ schreibt Pfr. Arndt an die Königliche Regierung.  *52)
Die Kirche ist zum 4. Sonntag nach Trinitatis (12.07.1840) ganz fertig!

Über dem alten Altar hing früher ein Christusbild (Kupferstich) im Ebenholzrahmen, „den Herrn mit Brot und Kelch darstellend“, das ein Geschenk von Pfr. Schultze war. Nun will Pfr. Schultze dies an Pfr. Arndt schenken. Es wird genehmigt.  *53)  

Durch die großen offenen Fenster im Turm dringt viel Feuchtigkeit ein, die Uhr und Dielen beschädigt. Dass die westlichen Fenster ganz zugemauert werden, wird abgelehnt. So werden sie in der oberen Hälfte zugemauert. Die unteren Teile bekommen Holzluken, die vom Küster zum Läuten geöffnet werden.  *54)

In den Jahren 1840 / 41 wird der Kirchhof neu gestaltet. Zuerst werden einige Bäume nur gestutzt; 1841 werden zehn Rüstern und 13 Maulbeerbäume gefällt, das Holz für 24 Thaler, 12 Silbergroschen verkauft. 1844 werden Linden zur Neubepflanzung vorgeschlagen.  *55)  

Neue Probleme tauchen 1841 im Pfarrhaus auf:
Weil angeblich nicht gut genug gelüftet wurde, wird Schwamm festgestellt. Pfr. Arndt wird streng vermahnt und der Schaden 1842 beseitigt.  *56)  

1841 stellt Pfr. Arndt alle seine Einkünfte zusammen. Dazu gehören:

                                                                           Thaler    Silbergroschen    Pfennige
Zinsen aus dem Thümenschen Legat                     32         15
Baares Gehalt jährlich aus der Kirchenk.                 1  
Werth der freien Wohnung                                    30  
Durch Verpachtung von Pfarracker                      105  
Gartenpachten                                                     13  
Vierzeitengeld                                                      59          28                      9
Stolgebühren für Amtshandlungen 1835 - 40       49  
  
Summe                                                           290         13                     9


Zum Vergleich: Am 2. Ostertag wird eine Kollekte für ein Hospital in Jerusalem gesammelt: 1 Thaler, 14 Silbergroschen, 9 Pfennige  *57)

Der scheidende Pfr. Arndt blickt in seiner Chronik zurück auf seine Dienstzeit in Waltersdorf. Er ist sich darüber klar, dass äußerlich so manches geschehen ist, aber dass vieles zum inneren Aufbau der Gemeinden nicht umfassend genug geschah. Wenig Erwachen und Trachten nach dem Reich Gottes ist zu finden, kein Hunger nach Gerechtigkeit, keine Bußfertigkeit bei mancher Gottesfurcht und Ehrbarkeit. Er hofft auf mehr Frucht bei seinen Nachfolgern. - „Gott sei Dank für alles!“ -  Für durchrungene Nächte und für die „fünf letzten Jahre meines häuslichen Lebens, an der Seite meiner Marie, der ächten Pfarrfrau.“
Damit endet seine Chronik 1844.  *58)

Pfr. Arndts Nachfolger wird FRIEDRICH JULIUS EBERHARD EBERT (1844-1864). Er ist 1808 in Neuruppin geboren und war vorher Pfarrer in Lüdersdorf / Wriezen. Er war verheiratet mit Clara, geb. Himly, die als Übersetzerin aus dem Englischen tätig war.  *59)
1845 werden Schäden am Mauerwerk des Turmes festgestellt, die erst 1852 beseitigt werden. Bei der Kirchbesichtigung wird auch gemahnt, dass die Turmuhr repariert werden muss.   *60)

Im Advent 1864 sangen die größeren Schulmädchen dem kranken Pfarrer Ebert unter Leitung des Lehrers Steffien das Lied  „Wie soll ich dich empfangen“. Wenige Tage danach starb Pfr. Ebert.

CARL EMIL CRANTZ wurde der nächste Pfarrer in Waltersdorf. 1827 geboren, war er vorher Pfarrer in Sonnenberg / Lindow - Gransee. 1853 heiratete er Emilie Laß aus Berlin.
Als er im Mai 1865 nach Waltersdorf zog, wurde er von Jung und Alt mit einem Lied begrüßt und von den Schulkindern mit grünen Kränzen willkommen geheißen.  *61)
Für die Anschaffung eines Harmoniums wird der Kirche 1867 ein königliches Gnadengeschenk von 62 Thalern bewilligt. Es kostete aber 185 Thaler.  *62)
In den folgenden Jahren wuchs die Bevölkerung Waltersdorfs durch Zuzüge so stark, dass die Sitzplätze in der Kirche nicht ausreichten. (Im Pfarrsprengel gab es jährlich 40-50 Konfirmanden).  
166 Thaler wurden für die Verbreiterung der Empore, die Aufstellung neuer Bänke und andere Bauarbeiten ausgegeben.  *63)

Weitere 45 Thaler werden für die Reparatur des Kirchdaches nach einem heftigen Sturm bezahlt.  *64)

1874 beantragt die Kirchengemeinde eine Orgel, die 721 Thaler kosten soll. Dies wird abgelehnt, da ja vor kurzem erst (1867) ein Harmonium angeschafft wurde und weitere große Ausgaben für Reparaturen an der Kirche bevorstehen.

1875 wird (leider!) eine „defecte Sanduhr mit zwei Gläsern“ an das Märkische Museum abgegeben.  *65)

1883 wird ein Kostenanschlag für eine Orgel eingeholt. Er beläuft sich auf 2145 M. Die Waltersdorfer sammeln fleißig (die Spenderliste existiert!) 1516 M.  *66)

Martin Luthers 400. Geburtstag (10.11.1883) wurde mit den Schulkindern und „ziemlich zahlreich“ erschienen Erwachsenen festlich begangen. Dabei wurden „Ein feste Burg“ und andere Lutherlieder gesungen.  *67)
1885 wird das Projekt, die neue Orgel in der Apsis aufzustellen, abgelehnt.

1886 werden die Gottesdienste an gewöhnlichen Sonntagen von ca. 70 Personen besucht. Waltersdorf hat zu dieser Zeit 630 Seelen.  *67)

Für die Anschaffung der neuen Orgel erhält die Kirchengemeinde ein kaiserliches Gnadengeschenk von 450 M.  *68)

Pfr. Crantz soll die Einweihung der neuen Orgel nach erfolgter Abnahme in „fachgemäßer Form“ vornehmen.  *69)
Dies geschah am 27.3.1887 durch Musikdirektor Rudolf Lange aus Cöpenick.  *67)  

Pfr. Crantz konnte seine Konfirmanden am Palmsonntag nicht mehr einsegnen und zu Ostern 1889 nicht an der Einweihung der neu erbauten Bohnsdorfer Kirche teilnehmen. Er hatte einen Schlaganfall, nachdem er tags zuvor vier Mal Gottesdienst gehalten hatte.  *70).
Er starb am 24.04.1889. Die Grabsteine von ihm und seiner Frau Emilie befinden sich auf dem Kirchhof westlich vom Erbbegräbnis der Familie Snethlage.

ALBRECHT RICHTER, bisher Pfarrer in Kiekebusch, wurde Pfr. Crantz’ Nachfolger. Im Sommer 1890 beginnt er seinen Dienst in Waltersdorf. In diesem Jahr wird der Stall auf dem Pfarrhof neu gebaut, massiv und mit Kronendach, einem Kuhstall, zwei Schweine- und einem Ziegenstall, Futterkammer, Hühnerstall, Holzstall und Abort.  *71)

1890 wird die Kirchengemeinde Berlin - Bohnsdorf  eine eigene Pfarrstelle.


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